1 Vorbemerkung
Grundlage für den Schulversuch ist das Schulverwaltungsblatt 7/96. Um die Möglichkeit zu nutzen, Schülerinnen und Schülern über das Normale hinausgehenden Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, sollen zunehmend "Zusatzqualifikationen" geschaffen werden. Dieses war bislang nicht möglich, im Gegenteil, es "ist von den Schulen zunehmend beklagt worden, daß die (...) Stundentafel nicht die notwendige Flexibilität gestattet, um auf unterschiedliche Anforderungen in der Zusammensetzung von Lerngruppen einzugehen. Eine adressatenbezogene Schwerpunktsetzung im Unterricht (...) ist in einer normierten Stundentafel ebenso wenig einzulösen, wie die Schaffung der Möglichkeit für leistungsbereite Jugendliche den Erwerb von Zusatzqualifikationen, wie z.B. (...) vertiefte EDV-Qualifikationen, unter Beteiligung der Berufsschule zu ermöglichen." (SVBl 7/96 S. 338). Hier setzen die Kurse an.
Die Berufsbildenden Schulen I Wilhelmshaven führen als „Modellversuch” mehrere Kurse zur Erlangung dieser Zusatzqualifikation durch. Dazu gehören die Zusatzqualifikationen „Englisch-IHK” und „EDV-Anwenderpass (VHS) - Wirtschaft und Verwaltung -”. Dieser Zwischenbericht bezieht sich auf die Kurse im EDV-Bereich.
2 Beschreibung der Kurse
Die Kurse des EDV-Anwenderpasses (VHS) werden in modularer Form angeboten. Der EDV-Anwenderpass wird vergeben, wenn aus den folgenden Bausteinen der Kurs „Grundlagen der EDV” sowie drei weitere Kurse mit einer erfolgreichen Prüfung abgeschlossen wurden.
-Grundlagen der EDV (DOS,Windows ab 3.1)
-Tabellenkalkulation (Lotus 123, MS-Excel ab Version 4.0 )
-Textverarbeitung (Amipro 3.1, Lotus WordPro oder MS-Winword)
-Datenbankanwendung
(dBase IV, MS-Access, Approach)
-EDV-Lohn- und Gehaltsabrechnung (KHK)
-EDV-Finanzbuchhaltung (KHK)
-EDV-Auftragsbearbeitung und Bestellwesen (KHK)
Es wird angestrebt, mindestens drei dieser Modulprüfungen anzubieten. Um den EDV-Anwenderpass ausgestellt zu bekommen, müßten die Auszubildenden zusätzlich einen Kurs bei einer Volkshochschule in Niedersachsen besuchen. Die Teilnahme an den Modulprüfungen wird durch ein von der Volkshochschule ausgestelltes Zertifikat bescheinigt. Die Daten werden in der Prüfungszentrale gespeichert.
3 Lerninhalte
Die Lerninhalte sind durch den Landesverband der Volkshochschulen vorgegeben. Als Anlage ist ein Auszug aus den Kursleitermaterialien des Landesverbandes (Musterankündigungstexte) der Volkshochschulen beigefügt.
4 Stoffverteilung
Um
Erfahrungen hinsichtlich der zeitlichen Stoffverteilung zu sammeln, wurden
die Module in alternativer Form unterrichtet.
4.1 Modell Intensiv:
In
einem Testdurchgang werden die Module in einem Blockdurchgang (ca. 40 U-Stunden)
unterrichtet. Dieses Modell wurde im Modul Textverarbeitung angewandt.
4.2 Modell Normal:
Die Vorbereitung
auf die Prüfung wird in 1,5 Blöcken (ca. 50-60 Stunden) unterrichtet.
Dies wurde im Modul Tabellenkalkulation angewandt.
5 Unterrichtsorganisation
Eine Erleichterung für die Unterrichtsorganisation ist die Tatsache, daß der Unterricht in den Klassen für die Ausbildungsberufe Sparkassenkaufmann / -kauffrau sowie Bankkaufmann / -kauffrau[1] in Blockform durchgeführt wird. Die Zusatzangebote wurden zunächst nur in der Grundstufenklasse mit 4 Wochenstunden pro Kurs angeboten und werden in diesem Jahr fortgesetzt. Zusätzlich wird in der neuen Grundstufe im Schuljahr 1998/99nach dem gleichen Konzept verfahren.
Im Schuljahr 1997/98 waren in den Grundstufenklassen der beiden Ausbildungsberufe insgesamt 34 Schüler zu beschulen. Diese konnten wählen zwischen der Teilnahme am „EDV-Anwenderpass” und dem Englisch-Kurs, der nach drei Jahren mit einer IHK-Prüfung abschließt.
Insgesamt 26 Auszubildende (2 Gruppen) wählten die EDV-Kurse, die restlichen entschieden sich für den Englisch-Kurs. Die Teilnehmer der EDV-Kurse erhalten zusätzlich 2 Stunden Englischunterricht, während die Englisch-Teilnehmer am EDV-Unterricht teilnehmen. In diesem Unterricht werden die Inhalte nach den Rahmenrichtlinien der jeweiligen Fächer behandelt.
Im ersten Block des Schuljahres 1997/98 wurde also mit Gruppe A das Modul Textverarbeitung inklusive Abschlußprüfung durchgeführt. Gruppe B hat derweil mit dem Modul Tabellenkalkulation begonnen.
In der Mitte des zweiten Blocks wurde die Prüfung Tabellenkalkulation für Gruppe B durchgeführt. Um die Zeit zwischen dem Unterricht der unterschiedlichen Modelle auszugleichen wurde eine Einführung in die übliche Software im Cash-Management (Quicken, SFirm bzw. Multicash) vorgenommen.
In der zweiten Hälfte des zweiten Blocks begann Gruppe A mit dem Modul Tabellenkalkulation und Gruppe B beschäftigte sich mit der Finanzsoftware.
Im 3. Block erfolgen die Prüfungen für den jeweils alternativen Baustein.
Die Fortsetzung (Grundlagen bzw. Datenverwaltung) der Kursfolge im 4. Block wird erst in diesem Schuljahr geregelt werden. Gleichzeitig werden für die neu beginnenden Auszubildenden die Kurse wieder angeboten.
6 Prüfungen
Die Prüfungen werden vom Landesverband der Volkshochschulen Niedersachsen e. V. in Hannover erstellt. Sie finden in den Räumen der BBS I in Wilhelmshaven statt und werden von der Volkshochschule in Zusammenarbeit mit den beteiligten Lehrkräften abgenommen. Die Erstkorrektur der Prüfungen übernimmt ein Kursleiter der Volkshochschule oder ein Lehrer der BBS I Willhelmshaven. Die Zweitkorrektur wird durch die Prüfungszentrale des Landesverbandes der Volkshochschulen Niedersachsen geregelt.
7 Zeugnisse
Die Zeugnisse werden in den amtlichen Zeugnissen der Berufsschule mit einem Hinweis erwähnt. „Der Schüler hat an der Prüfung EDV-Anwenderpass (VHS) Textverarbeitung/Tabellenkalkulation/... teilgenommen”.
8 Zwischenergebnisse
Die Prüfungsergebnisse waren sehr positiv:
Im Modul Textverarbeitung hat 1 Auszubildender die Note „sehr gut”, je 6 Auszubildende die Noten „gut” und „befriedigend” und 1 Auszubildender die Note „ausreichend” erlangt. Die Durchschnittsnote war damit 2,5.
Im Modul Tabellenkalkulation haben 10 Auszubildende die Note „sehr gut”, je ein Auszubildender hat die Noten „gut” sowie „befriedigend” erreicht. Die Durchschnittsnote beträgt also 1,25.
Diese Ergebnisse zeigen, daß sich die Auszubildenden mit hohem Engagement mit den vermittelten Inhalten beschäftigt haben.
Seitens der Auszubildenden ist eine im Verhältnis zum normalen Unterricht deutlich erhöhte Motivation festzustellen gewesen. Das lag einerseits auch an den Erwartungen der Ausbildungsbetriebe, aber sicherlich ebenso an der Aussicht auf Zertifizierung der erworbenen Qualifikationen. Dies ist ja sonst in der Berufsschule nicht üblich. Bisher gab es nur eine Note im Fach Rechnungswesen, die über die Inhalte insbesondere im Bereich der Nutzung von Software überhaupt keine Aussage machte.
Zur Vergabe der ersten Zertifikate kam der Personalleiter der Sparkasse Wilhelmshaven, Herr Wollzeifer (26 Auszubildende, davon 10 im 1. Ausbildungsjahr). In einer kleinen Ansprache hat er noch einmal die hohe Zufriedenheit der Ausbildungsbetriebe über diese neue Maßnahme hervorgehoben. Auch die regionale Zeitung (Wilhelmshavener Zeitung) war zugegen und hat einen kurzen Bericht mit Foto veröffentlicht.
9 Lehrmittel
9.1 Textverarbeitung
In
der Textverarbeitung wird mit einem aufbauenden Reader[2]
gearbeitet. Der Reader wird als „Loseblatt-Sammlung” entwickelt und kann
daher bei Bedarf den Anforderungen hinsichtlich der Tiefes bzw. der Fachrichtung
der Lerngruppe angepasst werden. Bestandteil des Readers ist ein „Aufgabensatz
Textverarbeitung”, der von den Lernenden als „eigenständige Übungen”
oder „unterrichtsbezogene Übungen” bearbeitet wird.
9.2 Tabellenkalkulation
In
der Tabellenkalkulation wird mit den Materialien der Volkshochschule gearbeitet[3].
10 Kosten
Da eine Zusatzqualifikation nicht in die Lernmittelfreiheit fällt, sind die entstehenden Kosten (Lehrgangsmaterial wie Disketten und Lehrbücher für ca. 20,00 DM sowie Prüfungsgebühren) von den Teilnehmern an diesen Kursen der Zusatzqualifikation zu übernehmen. Die Kosten der Prüfung (zwischen 75,00 und 100,00 DM je Prüfung) entstehen aus den folgenden Leistungen:
Bereitstellung der Leistung des Landesverbandes (Prüfungsunterlagen, Prüfungsabwicklung)
Versand der Prüfungsunterlagen
Honorare für die Aufsichtsführung,sowie Erstkorrektur und Zweitkorrektur (und ggf. Drittkorrektur)
Erstellung, Versand und Ausgabe der Zeugnisse
In vielen Fällen wurden diese Kosten von den Ausbildungsbetrieben übernommen
11 Resümee
Es ist noch nicht möglich, eine abschließende Beurteilung abzugeben. Einige Zwischenergebnisse können wir allerdings schon formulieren.
Die Durchführung eines Moduls in nur einem Block ist sehr stark verdichtet. Unterrichtsausfälle müssen inhaltlich vertreten werden. Dies führt im Schulalltag zu Problemen, da nicht viele Kollegen dazu in der Lage sind.
Bei EDV-Neueinsteigern muß auf freiwillige Arbeitsgemeinschaften verwiesen werden, da die Zeit im Kurs zu knapp bemessen ist. Eine Nachbereitung in der unterrichtsfreien Zeit (Hausaufgaben) ist hier notwendig. Für Berufsschüler im Blockunterricht ist es allerdings problematisch, auch die Übungsphasen für „Zusatzqualifikationen” in die außerunterrichtliche Zeit zu verlegen. Dort sind sie häufig schon mit Hausaufgaben und Vorbereitungen für Klassenarbeiten beschäftigt, da die Unterrichtsorganisation durch Blockunterricht ohnehin schon zu einer Arbeitsverdichtung für die Auszubildenden führt.
Die Durchführung der Prüfung lag außerhalb der „Unterrichtszeiten”. Dieses war für die Auszubildenden ein zusätzlicher Termin. Die Vorbereitung in 1,5 Blöcken ist daher sinnvoll. Die Zeiten der Prüfungsdurchführung und Zeugnisausgabe sind dann Bestandteil der Unterrichtszeit. .
In der Intensiv-Version sollten Schülerinnen und Schüler lernen, auch unter Zeitdruck zu arbeiten. Das „Freiwilligkeitsprinzip” und die Bereitschaft, sich über das „normale Maß” hinaus zu engagieren können nur bei einer überdurchschnittlichen Anforderung an die Kursteilnehmer vermittelt werden.
Neben der Zusatzqualifikation muß in einem Block oder im Unterricht der Bankbetriebslehre auf die Lerninhalte der Rahmenrichtlinien eingegangen werden, die teilweise über die Inhalte der Zusatzqualifikationen hinausgehen. Das gilt insbesondere für den Theoriebereich. Die Zusatzqualifikation wird daher nur auf 4 Blöckebeschränkt werden.
Daher
sind die Module entweder in je einem Block (=Intensiv-Alternative) durchzuführen,
um den „Anwenderpass” (bestehend aus 4 Bausteinen) zu erwerben oder man
beschränkt sich auf die Module, die für besonders wichtig erachtet
werden. Das sind unseres Erachtens auf jedem Fall die Module „Textverarbeitung“
und „Tabellenkalkulation“. Alternativ kann auf die Teilnahme an einem Volkshochschulkurs
verwiesen werden.
Sicherlich ist die Durchführung dieser Zusatzqualifikationen eine Möglichkeit, die Auszubildenden mit anerkannten Zertifikaten zu versehen. Dadurch kann erreicht werden, dass durch die Art der Prüfung (EXTERNEN-PRÜFUNG) das Niveau der Zusatzqualifikation hoch und die Qualität sehr gut bleibt! Damit soll aber keineswegs unterstellt werden, daß dies ohne externe Prüfungen nicht möglich sei. Es sollte auch in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entstehen, daß interne Prüfungen (bzw. Klassenarbeiten, Zeugnisnoten) diesen Kriterien nicht standhalten. Eine andere Möglichkeit der Zertifizierung wäre eine inhaltlich aussagekräftigere Formulierung in den Berufsschulzeugnissen oder auch als Anlage dazu. Zum Beispiel könnten dort Aussagen über die eingesetzte Software gemacht werden, gegebenenfalls können die Leistungen der Auszubildenden auch differenziert bewertet werden.
Externe Prüfungen sind im System der dualen Berufsausbildung in der Bundesrepublik Deutschland nichts neues. Die Massenprüfungen zum Beispiel im Bereich der IHK oder anderer Kammern sind jedoch sehr standardisiert und müssen auf die Ausbildungsordnungen der jeweiligen Ausbildungsberufe abgestimmt sein. Bedenkt man, daß die Überarbeitung von Inhalten der Ausbildungsordnungen über einige Jahre den Erfordernissen der Wirtschaft hinterherhinkt, bieten ZusatzqualifikationenMöglichkeiten, sich diesen Zwängen zu entziehen. Das gilt insbesondere im Bereich neuer Technologien.
Nach unseren Erfahrungen sollten die Verwaltungsaufgaben (Erstellen der Rechnungen, Überwachung des Zahlungseingangs, Bestellung der Prüfung, usw.) von der Schulverwaltung übernommen werden.