"Eine Geschichte von Gott." - Oder: Wie Gott den Besuch in einer Kirche erleben würde.

Hinführung zu einer ersten Interpretation

VOR der Übung:
1. Fühlst du dich in einer Kirche eher wohl oder unwohl? Überlege, woran es liegt.
2. Lies nun die Geschichte auf der linken Seite. Du kannst sie dir auch anhören: Hier klicken

WÄHREND der Übung:
Gib eine Kurzantwort oder - wenn möglich - kreuze an.

NACH der Übung:
Nimm Stellung: Kannst du der Gesamtaussage der Geschichte zustimmen? Begründe deine Meinung.
Starthilfe: Ich bin der Meinung, dass... / Denn ... / Zum Beispiel ...

Bearbeite die nächste Übung. (Ü5_Aufgaben von Kirche)

Hermann van Veen, Eine Geschichte von Gott

Die folgende Geschichte kommt von dem niederländischen Liedermacher Hermann van Veen. Sie erzählt davon, wie Gott einen Besuch in einer Kirche erleben würde:

EINE GESCHICHTE VON GOTT

Als Gott nach langem Zögern wieder mal nach Hause ging,
war es schön; sagenhaftes Wetter! Und das erste, was Gott
tat, war: die Fenster sperrangelweit zu öffnen, um sein
Häuschen gut zu lüften.

Und Gott dachte: Vor dem Essen werd` ich mir noch kurz die
Beine vertreten. Und er lief den Hügel hinab zu jenem Dorf,
von dem er genau wußte, daß es da lag.

Und das erste was Gott auffiel, war, daß da mitten im Dorf
während seiner Abwesenheit etwas geschehn war, was er
nicht erkannte. Mitten auf dem Platz stand eine Masse mit
einer Kuppel und einem Pfeil, der pedantisch nach oben wies.

Und Gott rannte mit Riesenschritten den Hügel hinab,
stürmte die monumentale Treppe hinauf und befand sich in
einem unheimlichen, naßkalten, halbdunklen, muffigen Raum.

Und dieser Raum hing voll mit allerlei merkwürdigen Bildern,
viele Mütter mit Kind mit Reifen überm Kopf und ein fast
sadistisches Standbild von einem Mann an einem Lattengerüst.
Und der Raum wurde erleuchtet von einer Anzahl fettiger,
gelblichweißer, chamoistriefender Substanzen, aus denen Licht
leckte.

Er sah auch eine höchst unwahrscheinliche Menge kleiner Kerle
herumlaufen mit dunkelbraunen und schwarzen Kleidern und
dicken Büchern unter müden Achseln, die selbst aus einiger
Entfernung leicht moderig rochen.

"Komm mal her! Was ist das hier?"

"Was ist das hier? Das ist eine Kirche, mein Freund.
Das ist das Haus Gottes, mein Freund."

"Aha...Wenn das hier das Haus Gottes ist, Junge, warum blühen
dann hier keine Blumen, warum strömt dann hier kein Wasser
und warum scheint dann hier die Sonne nicht, Bürschchen?!"

"...Das weiß ich nicht."

"Kommen hier viele Menschen her, Knabe?"

"Es geht in letzter Zeit ein bißchen zurück."

"Und woher kommt das deiner Meinung nach?
Oder hast du keine Meinung?"

"Es ist der Teufel. Der Teufel ist in die Menschen gefahren.
Die Menschen denken heutzutage, daß sie selbst Gott sind
und sitzen lieber auf ihrem Hintern in der Sonne."

Und Gott lief fröhlich pfeifend aus der Kirche auf den Platz.
Da sah er auf einer Bank einen kleinen Kerl in der Sonne sitzen.

Und Gott schob sich neben das Männlein, schlug die Beine übereinander
und sagte:"...Kollege!"

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